Interkulturelle Kommunikation

Zahlreiche Kulturwissenschaftler, Antropologen, Soziologen, Psychologen, Sprachwissenschaftler etc. haben sich damit beschäftigt, das Konstrukt "kulturelle Identität", auch vielfach "Nationalkultur" genannt, zu erforschen und zu beschreiben. Die Bandbreite der an diesem Konstrukt interessierten Disziplinen lässt die Zahl der unterschiedlichen Definitionen und Konzepte erahnen.
Für mich ist Kultur eine Menge ungeschriebener, größtenteils (bis zur Konfrontation mit einer anderen Kultur) unbewusster Regeln, die innerhalb eines Kollektivs herrschen und sich in Ritualen, Kleidung, Gesten, Ideen und anderen kulturellen Aspekten ausdrücken und den Mitgliedern des Kollektivs dazu dienen, sich zu orientieren und sich gegenüber anderen Kollektiven abzugrenzen.

Die Diplom-Psychologin Dagmar Kumbier definiert in ihrem auf den Modellen
von Friedemann Schulz von Thun aufbauenden Werk „Interkulturelle Kommunikation“
Kultur als „identitätsstiftendes Orientierungsmodell“: „Es definiert Zugehörigkeit; es reguliert das Verhalten der Kulturmitglieder; und es strukturiert deren Wahrnehmung und Deutung der Umwelt – meist ohne dass es diesen bewusst ist.“ (Kumbier et al., 2009: 33).
Der Linguist Adrian Holliday unterscheidet zwischen mehr Aspekten von Kultur, die er kulurelle Resourcen (cultural resources) nennt. Unter anderem sind dies (ungeordnet): Zeremonien, Kleidung, Literatur, gutes Benehmen, Familie, Kunst, Musik, Religion, Persönlichkeit etc. (vgl.: Holliday et al., 2007: 13).

Haus auf dem Land Es hat verschiedene Versuche gegeben, die Kultur einer ganzen Nation in Dimensionen oder Standards zu erfassen und darzustellen. Problematisch daran ist die Vielzahl an unterschiedlichen Personen, die innerhalb einer Nation leben und die durch eine statische Zuschreibung von Eigenschaften aufgrund ihrer Nationalität auf diese reduziert werden.
Hilfreich erscheinen diese Modelle jedoch beim groben Vergleich von Kulturen und zum Beispiel bei der Prognose möglicher interkultureller Probleme bei Kontakten von Personen verschiedener Kulturen.

 

Deutsche Kulturstandards
  • Sachorientierung: direkt, zielorientiert, persönlicher Besitz hat hohen Wert
  • Wertschätzung von Strukturen und Regeln: ordnungsliebend, klare Regeln und Strukturen bevorzugt Voraussetzung für Erfolg und Qualität, viel Planung, Perfektionismus
  • Regelorientierte, internalisierte Kontrolle: Disziplin und Gerechtigkeit wichtig, Selbstständigkeit schon bei Kindern, Zuverlässigkeit, Moral
  • Zeitplanung: Planung von Öffnungszeiten, Arbeitszeiten und Freizeit, Wichtigkeit von Terminen, Zeitmanagement Vorraussetzung für Professionalität
  • Trennung von Persönlichkeits- und Lebensbereichen: im Privaten beziehungsorientiert, emotional und informell – im Beruflichen sachorientiert, rational und formell
  • Direktheit der Kommunikation/ schwacher Kontext: sagen explizit und direkt, was sie meinen, Ehrlichkeit wichtig (Direktheit ist Ausdruck von Ehrlichkeit), schrecken nicht vor Konflikten und Kritik zurück

    Quelle: Schroll-Machl, Sylvia (2007): Die Deutschen – Wir Deutschen: Fremdwahrnehmung und Selbstsicht im Berufsleben, 3. Auflage

  • Mexikanische Kulturstandards
  • Sympathieorientierung: Vertrauensverhältnisse sehr wichtig – auch in geschäftlichen Zusammenhängen, zwischenmenschliche Beziehungen sollen harmonisch sein
  • Gesicht wahren: Konfliktvermeidung, Harmoniestreben, Höflichkeit
  • Kollektivismus: Gemeinschaft und Familie sehr wichtig
  • Hierarchieorientierung: starkes Machtgefälle
  • Repräsentationsorientierung: Erscheinung nach außen hin extrem wichtig, Statussymbole, Trennung zwischen öffentlichem und privatem Leben
  • Gegenwartsorientierung: Leben und Fühlen im Jetzt, kaum langfristige Planung
  • Polychrones Zeitverständnis: Erledigen von mehreren Dingen gleichzeitig, Einhalten von Termin nicht so wichtig
  • Flexibilität und Spontaneität: flexibler Umgang mit Regeln, Improvisationstalent

    Quelle: Ferres, Renate/ Meyer-Belitz, Friederike/ Röhrs, Bettina/ Thomas, Alexander (2005): Beruflich in Mexiko: Trainingsprogrramm für Manager, Fach- und Führungskräfte

  • Kulturdimensionen

    Da ich den am meisten zitierten Kulturdimensionen des Kulturwissenschaftlers Geert Hofstede aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Hinterlegung und Validierung äußerst kritisch gegenüber stehe, möchte ich hier nur die weniger zahlreichen aber fundierteren Dimensionen des Antropologen Edward T. Hall vorstellen:

  • Monochronism versus Polychronism: beschreibt die Art und Weise, wie Personen ihr Leben zeitlich organisieren, d.h. ob sie Dinge gleichzeitig (polychron) oder nacheinander (monochron) erledigen. Mexiko wird hierbei zu den stark polychronen Kulturen gezählt, Deutschland zu den stark monochronen.
  • High Context versus Low Context: beschreibt, wie viel von dem Gemeinten tatsächlich ausgesprochen wird bzw. wie viel implizit in der Mitteilung beinhaltet ist, ohne dass es explizit gesagt wird (= hoher Kontext). Die mexikanische Kultur wird eher als high-context beschrieben, während die deutsche Kultur als stark low-context eingeschätzt wird.
  • Proxemics: meint das Nutzen von Raum und wie die Personen einer Kultur damit umgehen, also zum Beispiel wie nah sie einander beim Sprechen stehen oder wie oft und wie sie sich beim Kommunizieren berühren. Zwar spielt der körperliche Kontakt in Mexiko eine ein wenig größere Rolle als in Deutschland, zum Beispiel beim Begrüßungsküsschen geben, allerdings wird dieser Unterschied, meinen Untersuchungen zufolge, kaum wahr genommen und vor allem nicht als störend empfunden.

    Quelle: Hall, Edward T. (1983): The Dance of Life – The Other Dimension of Time